TAG gegen Patriarchale Gewalt
Diese Rede haben wir am 25.11.20 in Frankfurt gehalten.
Wir sind Solidarisch Unaufgefordert Queer. Als queere Gruppe verstehen wir uns als Teil feministischer Kämpfe. Wir sehen die Bedeutung von lesbischem Feminismus für die Frauenbewegungen und für die Entwicklung queerer Bewegungen. Der Tag gegen patriarchale Gewalt ist auch ein Tag gegen Gewalt an Lesben und trans* Frauen!
Sexualität zwischen Frauen wird in einer heteronormativen, patriarchalen Welt nicht als vollwertig angesehen. Sie dient lediglich der Befriedigung der männlichen Lust.
Ich habe es schon oft erlebt, dass ich im öffentlichen Raum von Typen angesprochen oder angepöbelt wurde, nur weil ich eine andere Frau geküsst habe oder ihre Hand gehalten habe.Warum denken Männer ein zärtlicher Moment zwischen Frauen ist für sie gedacht? Sind sie es gewohnt, dass jede Aufmerksamkeit ihnen gilt, dass ihr Ego es nicht ertragen kann, dass es Menschen gibt, die sich null für sie interessieren? In Momenten der Herabwürdigung, sei es durch einen Angriff oder durch Abwertung, geht es um Macht. Hetero Männer fühlen sich von einer Weiblichkeit und einer Queerness bedroht, die sie nicht in ihrer gewohnten Art und Weise kontrollieren können.
Letztens bin ich nachts mit einer Freundin Nachhause gefahren, wir haben mitbekommen, wie ein Typ eine Frau anschrie. Wir haben angehalten und gefragt was los sei. Daraufhin wurden wir als dreckige Lesben und scheiß Emanzen beschimpft. In der Gewalt, die in dieser Beschimpfung steckt geht es um Abwertung. Es geht darum zu verletzen, uns als etwas „anderes“, „weniger“ darzustellen, um die Macht in der Situation zu erhalten.
Diese Situationen sind bedrohlich und sie fühlen sich auch so an. Sie sollen sich so anfühlen. Sie sollen uns auf unseren Platz verweisen. Sie lebt davon, dass wir wissen, dass aus der Bedrohung schnell Realität wird. Jede zweite Lesbe hat in solchen Situationen körperliche Gewalt erlebt.
LESBEN! Emanzen! Das sind Beschreibungen, die auf großartige Menschen zu treffen! Das sind Worte, die wir gemeinsam mit Widerstand, mit Freude, mit Kampfeslust füllen, weil wir uns in queeren und feministischen Kontexten organisieren. Lesben, Butches, Dykes, Queers, Trans*Frauen erleben Gewalt nicht „als Frauen“ oder als „weibliche sozialisiert“ oder „auf Grund ihrer Sexualität“ sondern genau aus dem Zusammenspiel von Körper, Geschlechtsidentität und Begehren.
Wir können nicht mehr ertragen, dass unsere Körper und unsere Gedanken verletzt werden, weil Männlichkeit so zerbrechlich ist, dass unserer Existenz sie bedroht. Wir haben es rausgeschafft aus heterosexuellen Kleinfamilien, unsere eigenen Welten gebaut. Und dafür sollen wir bestraft werden?
Wir wollen nicht akzeptieren, dass Männer trans*Frauen so sehr zum Objekt ihrer Fantasien machen, dass sie daran sterben. Erst letzten Freitag haben wir uns auf der Hauptwache beim Trans Day of Remembrance an die 350 Trans*-Personen erinnert, die im letzten Jahr ermordet wurden. Die allermeisten von ihnen waren trans* Frauen. Die allermeisten von ihnen waren Sexarbeiterinnen. Sie wurden ermordet, weil sie die magische Grenze zwischen Weiblichkeit und Männlichkeit überschritten haben. Sie wurden ermordert, weil Männer irgendetwas ‚nicht ertragen‘ können und mit ihrem Begehren nicht ‚klarkommen‘. Sie wurden ermordert, weil wir alle wissen, dass sich in unserer Welt niemand für Gewalt an Frauen interessiert – schon gar nicht, wenn sie die heiligen Grenzen der Heteronormativität so sichtbar verletzen.
Wir können patriarchale Gewalt nicht einfach so umgehen. Wir sind erschüttert über die vielen Erzählungen von Gewalt in heterosexuellen Beziehungen, von Gewalt durch Eltern und im eigenen zu Hause. Für uns ist der Traum von Vater-Mutter-Kind, Haus und Auto schon lange keine Option mehr. Es ist Zeit, ihn als den Albtraum zu entlarven, der er ist.Denn die meisten Feminizide werden von nahen Verwandten oder Bekannten, von Partnern oder Expartnern verübt. Zugleich geschehen Formen patriarchaler Gewalt auch im öffentlichen Raum: Belästitung, Hinterherpfeifen, sexistische Beleidigungen, Herabwürdigungen. Egal, wo sie passiert: wir wollen das nicht ertragen müssen.
Wir müssen solidarisch sein und eingreifen, wenn Gewalt passiert, auch wenn sie uns selbst in Gefahr bringt. Es gibt keine Gewalt, die uns nichts angeht. Solidarität ist eine Entscheidung, die wir treffen!
Wir hören hin, wenn ihr von Problemen in euren Beziehungen erzählt! Wir sprechen Typen auf der Straße an, die ihre Freundinnen anbrüllen! Wir greifen ein, wenn Lesben herabgewürdigt werden! Wir organisieren uns, wir sehen uns und supporten uns.
Wir werden immer eure Kompliz*innen sein!