TDOR2020: We fight for our futures!
Heute ist der Trans Day of Remembrance und wie jedes Jahr erinnern wir heute an alle Trans*, die ermordet wurden – einfach, weil sie sind, wie sie sind. Jedes Jahr werden kurz vor dem 20. November von Transgender Europe alle dokumentieren Morde an trans* Menschen veröffentlicht, die im Verlauf des letzten Jahres bekannt geworden sind. Diese Liste ist lang und sie ist in den letzten zehn Jahren jedes Jahr länger geworden. Hier fehlen zudem die Namen all derjenigen, deren Ermordung nicht dokumentiert wurde oder die misgendert in andere Mordstatistiken einfließen. Wir wissen, dass die Liste nur einen Bruchteil derer umfasst, die ermordet wurden und Gewalt erfahren haben.
Der Trans Day of Remembrance wurde 1999 von der trans Aktivistin Gwendolyn Ann Smith begründet, um der brutalen Ermordung von Rita Hester zu gedenken und auf die vielen Morde an trans* Personen weltweit aufmerksam zu machen. Die Schwarze trans* Frau Rita Hester wurde 1998 in Massachusetts umgebracht. Weder Polizei noch Medien thematisierten diesen Mord, der auch nie aufgeklärt wurde.
Wir müssen leider immer wieder die Erfahrung machen, dass Trans* sein gefährlich ist. (Trans* sein bedeutet auch sich zwangsläufig mit Gewalt zu beschäftigen.) Denn wir leben in einer Welt, in der das Leben von trans* Menschen nicht ernst genommen wird. In der unsere Leben nicht gelten und egal sind. In der wir dafür kämpfen müssen, leben zu dürfen.
Wenn trans*feindliche Gewalt passiert, passiert diese nur scheinbar als individuelle Tat. Denn jede dieser Taten geschieht in einem gesellschaftlichen Zusammenhang. Und die Gesellschaft ist trans*feindlich. Sie erkennt uns nicht an und sie schützt uns nicht. Stattdessen werden Täter und Täterinnen von ihrem Umfeld geschützt. Die Polizei drangsaliert Opfer und Betroffene und klärt die Morde nicht auf. Die Medien haben oft nur ein reißerisches Interesse daran, die Opfer ins Lächerliche zu ziehen.
Aus den veröffentlichten Berichten von Transgender Europe geht unter anderem hervor, dass fast 40% der Morde im vergangenen Jahr im öffentlichen Raum stattfanden.Wer als trans* sichtbar und öffentlich lebt, läuft immer Gefahr, als ‘Freak’ markiert zu werden. Bei Pöbeleien werden Trans* von den umstehenden Personen nicht verteidigt. Bei Übergriffen in der U-Bahn schreiten die Anderen selten ein. Behörden, Medien aber auch Menschen aus dem persönlichen Umfeld suchen die Schuld beim Anderssein der trans* Person. Schließlich hätten wir uns ja verstecken können. Schließlich zwingt uns ja niemand, so zu sein, wie wir sind.
Die Morde an trans* Menschen zeigen auch, wie eng Gewalt mit Sexismus, Rassimus und Klassenverhältnissen verknüpft ist. Weltweit sind die meisten Ermordeten: junge, arme People of Color oder Schwarze Menschen. Das Transgender Murder Monitoring Project sammelt weltweit die bekannten Fälle, deswegen wissen wir, dass 98% der Ermordeten trans* Frauen und Femmes waren. Die Hälfte der in Europa Ermordeten waren Migrant_innen. Fast 80% der in den USA Ermordeten waren People of Color. Und weltweit waren über 60% der Ermordeten Sexarbeiter_innen. Diese sind zusätzlich wegen der Stigmatisierung von Sexarbeit besonderns von Gewalt betroffen. Insgesamt zeigt sich: wer ökonomisch und sozial an den Rand gedrängt wird, ist unsichtbar und für dessen Schutz wird wenig unternommen.
Die Corona-Pandemie verschlimmert prekäre Zustände und soziale Ungleichheiten weltweit und trifft queere Communities hart: Community-Orte, die Schutzräume sind, müssen geschlossen bleiben. Menschen müssen in trans*feindlichen und gewaltvollen Familien oder Partner*innenschaften ausharren. Die Kontakt-Beschränkungen tun so, als wären wir ‘Zuhause’ in unseren cis-hetero Kernfamilien alle sicher und glücklich sowie ausreichend finanziell abgesichert. Wer das nicht ist und für wen Community und die Begegnungen und Gemeinschaft außerhalb der Kernfamilie und der eigenen 4 Wände überlebensnotwendig sind, wird alleine gelassen und mal wieder aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Dass Transitionen verschoben werden, OPs ausfallen, ist ein Gesundheitsrisiko und lebensgefährdend.
Queere Themen werden abgetan, das sei doch jetzt nicht so wichtig – Doch! Queers sind wichtig, Trans* sind wichtig, wir sind wichtig und wertvoll und zwar immer und überall. Deshalb nennen wir die Namen all derjenigen Trans*, die uns gewaltsam genommen wurden. Um nicht zu vergessen und um weiterzukämpfen.
Wir möchten jetzt an die Ermordeten erinnern und wenn wir es wissen, ihre Namen, Alter und Beruf verlesen, verzichten aber darauf, die Details ihrer Ermordung zu nennen, denn für uns sind sie Menschen und keine Kriminalstatisik.
Menschen, die ein Leben hatten. Die geliebt haben und geliebt wurden. Die Träume hatten und gelacht haben – und die gekämpft haben.
Unser Kampf für eine andere Welt – eine Welt in der es den heutigen Tag nicht mehr braucht – geht weiter! Bis wir das erreicht haben, müssen wir die Namen der Ermordeten sagen und an sie erinnern! Am TDoR und das ganze Jahr wehren wir uns gegen Trans*feindlichkeit und Unsichtbarkeit.
Den bekannten und unbekannten Ermordeten gedenken wir heute – Rest in Power!