AktivismusAllgemeinRedebeiträge

Wir sind nicht gegen Mütter, sondern gegen das Patriarchat

Am 10.5. waren wir bei einer Kundgebung eingeladen eine Rede zu halten, um gemeinsam gegen das rassistische, sexistische und kapitalistische Machtsystem in dem wir leben zu protestieren, gerade an diesem höhnisch als Muttertag bezeichneten Datum.

Der öffentliche Raum ist nicht neutral. Er ist für den weißen hetero Mann gemacht. Als Queers – also als Lesben, Schwule, Bisexuelle, Asexuelle oder Intergeschlechtliche Personen sowie als trans Menschen und als alle Menschen die nicht in die zweigeschlechtliche Ordnung passen – erfahren wir in ihm permanent Ausschlüsse und Gewalt. Wer sich als queeres Paar küsst, wird von der Seite kommentiert oder angemacht. Wer nicht in das Bild vom ‘richtigen Mann’ oder der ‘richtigen Frau’ passt kann jederzeit zusammengeschlagen werden. 
In der Corona-Krise haben sich die Diskriminierungen im öffentlichen Raum noch verschärft: Es zeigt sich deutlich, wer selbstverständlich als Familie gilt und wer nicht. Wer ungefragt als Haushalt im Park Picknicken darf und wer nicht! Wer automatisch als Paar durchgeht und wer nicht! Und auch, dass wir sowieso alle nur ein_e Partner_in haben sollen – und auf keinen Fall mehr (als eine Person) daten, schon gar nicht außerhalb unseres Haushalts.
In der Corona-Krise hat sich auch der Zustand im privaten Raum verschärft. Auch dieser ist für viele Queers immer schon kein sicherer Ort. Für diese stellt gerade die biologische Kernfamilie oft keinen geschützten Rahmen dar, sondern im Zweifelsfall einen sehr gewaltvollen Ort. Dort werden das eigene Begehren oder die eigene Identität oft abgelehnt oder können nicht gelebt werden. 
Auch ist es verheerend, dass zur Zeit so viele Orte der queeren Community geschlossen sind. Sie sind ein wichtiger Rückzugsort für uns als Queers. Auch dass geschlechtsangleichende OP’s ausgesetzt werden und Menschen noch länger darauf warten müssen, endlich den Körper zu haben, der zu ihrer eigenen Identität passt, ist fatal.
Deswegen finden wir es wichtig, immer wieder zu sagen: Wir sind nicht alle gleich vor dem Virus! Von der Gesellschaft Ausgeschlossene werden noch mehr ausgeschlossen. Wer kein Zuhause hat kann nicht Zuhause bleiben. Wessen Zuhause nicht sicher ist, erfährt noch mehr Gewalt! Wer keinen Computer oder kein Internet hat, kann auch nicht an Online-Beratungen oder am Zoom drink mit Freund_innen teilnehmen!
Deswegen protestieren wir hier und heute gegen den neu auferlegten Ausnahmezustand, der den diskriminierenden und gewaltvollen Normalzustand nur noch ein weiteres Mal verschärft. Für ein solidarisches Miteinander, dass die Realität von Geschlechtervielfalt, verschiedenen Beziehungsformen und unterschiedlichen Familien endlich anerkennt!