TDoR: Für alle Trans*, die nicht mehr mit uns kämpfen können
Am Trans Day of Remembrance (TDoR) gedenken wir jedes Jahr allen Trans*, die umgebracht werden, weil sie sind, wie sie sind. Trans Gender Europe (TGEU) veröffentlicht jährlich einen Bericht über alle Morde an trans* Menschen, die im letzten Jahr bekannt geworden sind [1]. Hier fehlen die, deren Namen wir nicht kennen.
Wieso gibt es den TDoR?
Im November 1998 wird die trans* Frau Rita Hester in Massachusetts umgebracht. Ihre brutale Ermordung findet in den Medien kaum Beachtung. Auch die Polizei interessiert sich wenig für den Tod der 34jährigen Schwarzen: Ihr Tod wurde nie aufgeklärt. Gwendolyn Ann Smith begründet in Erinnerung an Hester am 20. November 1999 den Trans Day of Remembrance, um auf die vielen Morde an trans* Personen weltweit aufmerksam zu machen.
Trans* sein ist gefährlich
Was passiert, wenn eine Person trans*feindliche Gewalt erfährt? Der Übergriff betrifft die Person individuell. Die einzelne Tat passiert jedoch in einem gesellschaftlichen Zusammenhang. Wir leben in einem Klima, in dem Trans* weder ernst genommen noch als ‘vollwertiges’ Leben akzeptiert wird. Das bedeutet, dass Täter_innen sich dem Schutz der Gesellschaft sicher sein können. Wer als trans* sichtbar und öffentlich lebt, läuft immer Gefahr, als ‘Freak’ markiert zu werden. Bei Pöbeleien werden Trans* von den umstehenden Personen nicht verteidigt. Bei Übergriffen in der U-Bahn schreiten die Anderen nicht ein. Behörden wie Medien suchen die Schuld beim Anderssein der trans* Person. Schließlich hätte sie_er sich ja verstecken können und nicht die Anderen ‘provozieren’ müssen.
Race, Class, Gender
Belästigung, Diskriminierung und Übergriffe sind fester Bestandteil des Alltags der meisten trans* Menschen. In einer US-amerikanischen Umfrage im Jahr 2015 bei 27.000 trans* Personen gab die Hälfte an, dass sie bereits Opfer eines sexuellen Übergriffs waren. Von den Befragten hat 40% schon einen Selbstmordversuch hinter sich [Quelle: taz]. Wir können mit Sicherheit sagen, dies wäre anders, wäre Gesellschaft anders.
Die Morde an trans* Menschen zeigen, wie eng Gewalt mit Sexismus, Rassimus und Klassenverhältnissen verknüpft ist. Wer ökonomisch und sozial an den Rand gedrängt wird, ist unsichtbar und dessen Ermordung wird nicht verhindert. Weltweit sind die meisten Betroffenen junge, arme People of Color oder Schwarze und trans* Frauen. Sie sind nicht die superreichen Stars auf den Covern US-amerikanischer Magazine sondern Aktivist_innen und/oder Sexarbeiter_innen. Menschen mit Freund_innen und Familie.
Wie der Mord an Rita Hester, sind die meisten Morde extrem brutal, und die Täter_innen werden selten gefunden. Im Jahr 2016 zählte das Trans Murder Monitoring Projekt (TMM) weltweit fast 300 Morde an trans* und gender-diversen Menschen. Und das sind nur die bekannten, öffentlichen Fälle.
Trans* sind aktiv und wehren sich!
In LSBT*IQ Communities aktiv zu sein, heißt zwangsläufig, sich mit Gewalt zu beschäftigen. Erst durch das Engagement und die Solidarität der Communities rückt Gewalt gegen Trans* in die öffentliche Wahrnehmung. Das Berliner Anti-Gewalt-Projekt MANEO sieht in der steigenden Anzahl von Anzeigen gegen homo- oder trans*feindliche Sprüche und Übergriffe vor allem ein höheres Unrechtsbewusstsein. Angriffe gegenüber LSBT*IQ werden ernster genommen und entsprechend auch immer mehr strafrechtlich verfolgt. Dies verhindert aber Gewalt nicht oder löst Trans*feindlichkeit in der Gesellschaft in Luft auf.
Am TDoR und das ganze Jahr wehren wir uns gegen Trans*feindlichkeit und Unsichtbarkeit. Den bekannten und unbekannten Ermordeten gedenken wir heute – und werden weiter kämpfen!
[1] Der Begriff Trans*: